SOBau 2020
Buch 2 – Schlichtung
§ 1 Anwendungsbereich
(1) Die folgenden Vorschriften zum Verfahren der Schlichtung finden Anwendung, wenn die Parteien sich in einer Vereinbarung auf die Anwendung der SOBau und auf die Durchführung des Schlichtungsverfahrens gemäß Buch 2 geeinigt haben.
(2) Die Einigung auf die Durchführung des Schlichtungsverfahrens nach den Bestimmungen dieses Buchs der SOBau kann jederzeit und formlos getroffen werden, sollte jedoch aus Beweisgründen schriftlich erfolgen. Sie kann für eine Vielzahl von Streitigkeiten oder bezogen auf einen konkreten Streitfall geschlossen werden. Sie kann mit der Einigung auf die Durchführung weiterer Verfahren nach der SOBau verbunden sein.
(3) Die nachfolgenden Bestimmungen sind – soweit nicht zwingende gesetzliche Regelungen entgegenstehen – auch dann anzuwenden, wenn der Ort des Bauvorhabens nicht in Deutschland liegt.
§ 2 Ziel der Schlichtung
Ziel der Schlichtung ist die einvernehmliche Streitbeilegung, die auch auf einen Vorschlag der Schlichterin/des Schlichters (nachfolgend einheitlich: der Schlichtungsperson) hin erfolgen kann.
§ 3 Schriftverkehr
(1) Die Parteien sollen die Form des Schriftverkehrs vereinbaren. Sofern sie nichts anderes vereinbart haben, werden Schriftsätze und Anlagen in Schriftform und zugleich per E-Mail übermittelt. Die sonstige Korrespondenz wird per E-Mail geführt, zwischen Anwältinnen und Anwälten ist die Korrespondenz über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) zulässig. Alle Schriftsätze, Schriftstücke und sonstigen Mitteilungen, die der Schlichtungsperson von einer Partei vorgelegt werden, sind zeitgleich den anderen Parteien zu übermitteln.
(2) Sofern in diesem Buch eine Zustellung vorgeschrieben ist, hat diese gegen Zustellungsnachweis (z. B. Empfangsbekenntnis des Parteibevollmächtigen oder Einschreiben gegen Rückschein) zu erfolgen. Ist ein zuzustellendes Schriftstück auf andere Weise zugegangen, gilt die Zustellung als im Zeitpunkt des tatsächlichen Zugangs bewirkt.
(3) Wird eine Partei durch Bevollmächtigte vertreten, ist jeglicher Schriftverkehr mit diesen zu führen und Zustellungen haben an diese zu erfolgen.
§ 4 Vertraulichkeit
(1) Das Verfahren ist nichtöffentlich. Auf Antrag einer Partei oder auf Anregung der Schlichtungsperson kann mit Zustimmung aller Parteien Dritten die Anwesenheit gestattet werden.
(2) Sofern die Parteien nichts anderes vereinbart haben, sind die Parteien, die Schlichtungsperson und sonstige mit dem Verfahren befasste Personen einschließlich Dritter, denen gemäß Absatz 1 die Teilnahme an Schlichtungsterminen oder Einsicht in Verfahrensdokumente gestattet wurde, zur Verschwiegenheit über die Existenz des Verfahrens, die Namen von Parteien, den Gegenstand des Schlichtungsverfahrens, die Namen von gegebenenfalls hinzugezogenen oder zugelassenen Sachverständigen oder sonstigen Dritten, die Schlichtungsvorschläge sowie die ihnen im Verfahren bekannt gewordenen Tatsachen, die nicht öffentlich zugänglich sind, verpflichtet. Die Schlichtungsperson muss auf Antrag einer Partei hin Dritte, die an einer Verhandlung teilnehmen oder Einsicht in Verfahrensdokumente erhalten, im Namen der Parteien zur Verschwiegenheit verpflichten.
(3) Die Pflicht zur Verschwiegenheit besteht nicht, wenn und soweit eine gesetzliche Pflicht zur Offenlegung bestimmter Inhalte des Verfahrens besteht.
§ 5 Haftung der Schlichtungsperson und der Präsidentin/des Präsidenten des DAV
Die Schlichtungsperson haftet nur für vorsätzlich oder grob fahrlässig begangene Pflichtverletzungen. Für die Haftung von hinzugezogenen Sachverständigen oder Fachleuten gilt § 839a Abs. 1 BGB entsprechend. Die Haftung der Präsidentin/des Präsidenten des DAV wegen der Bestellung der Schlichtungsperson ist auf Vorsatz beschränkt.
§ 6 Honorare und Auslagen
Soweit nichts anderes vereinbart ist, gelten folgende Regelungen:
(1) Die Vergütung der Schlichtungsperson erfolgt auf Basis eines Stundenhonorars. Die Höhe des Stundenhonorars ist mit der Schlichtungsperson zu vereinbaren. Die Schlichtungsperson hat eine Zeitaufwandserfassung anzufertigen, so dass die Parteien nachvollziehen können, wie der Aufwand entstanden ist.
(2) Die Parteien haben alle notwendigen Auslagen der Schlichtungsperson zu tragen.
(3) Die Parteien haften der Schlichtungsperson als Gesamtschuldner.
(4) Die Schlichtungsperson kann in jedem Stadium des Verfahrens zur Deckung ihrer notwendigen Auslagen und des Honorars sowie für die Kosten für beigezogene Sachverständige und Fachleute Vorschüsse anfordern.
§ 7 Ablehnung wegen Befangenheit
Ein Antrag wegen Besorgnis der Befangenheit gegen die Schlichtungsperson muss innerhalb von einer Woche nach Erlangung der Kenntnis vom Ablehnungsgrund gestellt werden. Die Ablehnung ist ausgeschlossen, wenn die ablehnende Partei in Kenntnis der die Ablehnung begründenden Umstände an einer Schlichtungsverhandlung teilgenommen hat.
§ 8 Schlichtungsvereinbarung und Schlichtungsvertrag
(1) Auf der Grundlage der Einigung über die Durchführung der Schlichtung treffen die Parteien eine Schlichtungsvereinbarung. Die Schlichtungsvereinbarung muss mindestens die Grundzüge des mit der Schlichtungsperson zu bearbeitenden Konflikts sowie die Grundsätze umfassen, nach denen die Kosten der Schlichtung zu verteilen sind.
(2) Auf Grundlage der Schlichtungsvereinbarung schließen die Parteien mit der Schlichtungsperson den Schlichtungsvertrag ab. Dieser Vertrag soll folgenden Mindestinhalt haben:
- Gegenstand der Schlichtung,
- Pflichten der Auftraggebenden des Schlichtungsvertrags (d. h. der Parteien der Schlichtungsvereinbarung) und der Schlichtungsperson,
- Haftung der Schlichtungsperson,
- Vergütung der Schlichtungsperson,
- Verpflichtung der Schlichtungsperson gegenüber den Parteien zur Unparteilichkeit, Unabhängigkeit und umfassenden Verschwiegenheit.
§ 9 Einleitung des Verfahrens
(1) Das Verfahren beginnt mit der schriftlichen Aufforderung einer Partei an die andere Partei, ein Schlichtungsverfahren durchzuführen. In dem Aufforderungsschreiben sind unter Hinweis auf die Einigung über die Durchführung des Schlichtungsverfahrens der zu klärende Konflikt zu benennen und eine Schlichtungsperson vorzuschlagen.
(2) Die andere Partei hat binnen 14 Tagen nach Zugang der Aufforderung gemäß Abs. 1 der auffordernden Partei mitzuteilen, ob die Schlichtung durchgeführt werden soll. Dabei stimmt sie entweder der von der auffordernden Partei vorgeschlagenen Schlichtungsperson zu oder benennt eine andere. Können sich die Parteien nicht binnen einer Frist von vier Wochen nach Zugang der Aufforderung gemäß Abs. 1 auf eine Schlichtungsperson einigen, erfolgt die Bestellung auf Antrag einer der Parteien hin innerhalb von zwei weiteren Wochen durch die Präsidentin/den Präsidenten des DAV auf Vorschlag des Geschäftsführenden Ausschusses der ARGE Baurecht. Solange die Bestellung durch die Präsidentin/den Präsidenten des DAV nicht allen Parteien zugegangen ist, können sich die Parteien auf die Schlichtungsperson einigen.
(3) Gibt die andere Partei nicht rechtzeitig die Erklärung gemäß Abs. 2 Satz 1 ab oder erklärt sie, die Durchführung der Schlichtung abzulehnen, ist die Schlichtung gescheitert.
§ 10 Anforderungen an die Schlichtungsperson
(1) Die Schlichtungsperson soll die Befähigung zum Richteramt haben, sofern die Parteien nichts anderes bestimmt haben. Sie soll je nach Streitgegenstand über Kenntnisse in bautechnischen, baubetriebswirtschaftlichen und/oder baurechtlichen Fragen sowie der außergerichtlichen Streitlösung verfügen.
(2) Die Schlichtungsperson hat sich gegenüber den Parteien schriftlich zur Unparteilichkeit, Unabhängigkeit und umfassenden Verschwiegenheit zu verpflichten.
(3) Die Parteien können auch mehrere Personen als Schlichtungspersonen bestellen.
(4) Mit Zustimmung der Parteien kann die Schlichtungsperson fachkundige Dritte hinzuziehen.
(5) In einem ggf. nachfolgenden schiedsrichterlichen Verfahren soll die Schlichtungsperson nur dann als Schiedsrichterin/als Schiedsrichter tätig werden, wenn sich die Parteien damit einverstanden erklären.
(6) Die Schlichtungsperson kann in einem späteren schiedsrichterlichen wie auch in einem Gerichtsverfahren vor staatlichen Gerichten nicht Zeugin/Zeuge für Tatsachen sein, die ihr während des Schlichtungsverfahrens offenbart werden.
§ 11 Durchführung des Schlichtungsverfahrens
(1) Die Schlichtungsperson bestimmt den Ablauf des Verfahrens in Abstimmung mit den Parteien nach pflichtgemäßem Ermessen. Sie leitet das Verfahren durch eine entsprechende Mitteilung an die Parteien ein.
(2) Die Schlichtungsperson soll unverzüglich den Streitfall mit den Parteien erörtern. Sie kann zur Aufklärung des Sachverhalts alle Handlungen vornehmen, die dem Ziel einer zügigen Streitbeilegung dienen. Insbesondere kann sie im Einvernehmen mit den Parteien diese einzeln und auch in Abwesenheit der jeweils anderen Partei befragen. Die Schlichtungsperson ist befugt, die Schlichtungsverhandlung am Ort des Bauvorhabens anzuberaumen, das Bauvorhaben in Augenschein zu nehmen sowie fachkundige Dritte oder Sachverständige hinzuzuziehen.
(3) Sofern der Streitfall nicht eine andere Verfahrensweise erfordert, gibt die Schlichtungsperson den Parteien Gelegenheit, schriftlich zum Streitfall vorzutragen. Hierfür bestimmt sie eine dem Streitfall angemessene Frist, die in der Regel nicht weniger als zwei Wochen und nicht mehr als vier Wochen betragen soll. Die Bestimmung der Frist kann zugleich mit der Mitteilung über die Einleitung des Verfahrens erfolgen. Weitere schriftliche Stellungnahmen und Eingaben der Parteien werden nur berücksichtigt, wenn sie vom Schlichtungsperson angefordert, von ihr ausdrücklich zugelassen oder von beiden Parteien einvernehmlich für erforderlich erachtet werden.
(4) Die Parteien sind dazu verpflichtet, auf eine zügige und zielgerichtete Abwicklung des Schlichtungsverfahrens hinzuwirken. Sie sind an die von der Schlichtungsperson gesetzten Fristen gebunden. Fristverlängerungen sind in Ausnahmefällen nach billigem Ermessen der Schlichtungsperson zu gewähren.
§ 12 Ergebnis der Schlichtung
(1) Vereinbarungen der Parteien sind zu protokollieren; das Protokoll soll von der Schlichtungsperson und den Parteien unterzeichnet werden.
(2) Soweit die Parteien sich nicht geeinigt haben, unterbreitet die Schlichtungsperson einen schriftlich begründeten Schlichtungsvorschlag, der den Parteien zuzustellen ist. Wird der Vorschlag nicht binnen zwei Wochen nach der jeweiligen Zustellung an eine Partei von dieser und im Ergebnis fristgerecht von beiden Parteien angenommen, gilt er als abgelehnt. Sind mehr als zwei Parteien an dem Schlichtungsverfahren beteiligt und wird von einer Partei der Vorschlag nicht fristgerecht angenommen, so gilt die Schlichtung als mit dieser Partei gescheitert. Die Schlichtungsperson kann die Annahmefrist abkürzen.
(3) Erscheint eine Partei nicht zur Schlichtungsverhandlung oder wird der Schlichtungsvorschlag abgelehnt, gilt die Schlichtung als gescheitert.
§ 13 Verfahrensbeendigung
(1) Die Schlichtung endet ganz oder teilweise:
- durch eine schriftliche Einigung der Parteien (Vergleich),
- durch fristgerechte Annahme des Schlichtungsvorschlags durch alle Parteien,
- mit Ablauf von zwei Wochen nach Zustellung des Schlichtungsvorschlags, ohne dass die Parteien diesen angenommen haben (§ 12 Abs. 2 Sätze 2 und 3),
- durch die schriftliche Erklärung der Schlichtungsperson, dass die Schlichtung gescheitert ist,
- durch schriftliche Erklärung mindestens einer Partei, dass die Schlichtung abgebrochen wird,
- wenn das Verfahren länger als sechs Monate nicht betrieben wird.
(2) Die Schlichtungsperson stellt die Beendigung des Verfahrens unter Datumsangabe gegenüber den Parteien schriftlich fest.
§ 14 Verjährungshemmung
Durch den Zugang der Aufforderung gemäß § 9 Abs. 1 wird die Verjährung der geltend gemachten Ansprüche gehemmt. Die Hemmung nach Satz 1 endet frühestens drei Monate nach Scheitern des Schlichtungsverfahrens gemäß § 9 Abs. 3 oder nach Beendigung des Schlichtungsverfahrens gemäß § 13.
§ 15 Anrufung der ordentlichen Gerichte/eines Schiedsgerichts
Während der Durchführung des Schlichtungsverfahrens ist die Anrufung eines ordentlichen Gerichts oder eines Schiedsgerichts nicht statthaft. Ausgenommen hiervon sind die Einleitung eines Arrest- (§§ 916 ff. ZPO) oder eines einstweiligen Verfügungsverfahrens (§§ 935 ff. ZPO) oder eines selbständigen Beweisverfahrens (§§ 485 ff. ZPO).