Die Bauausführung der Fassade eines 17-geschossigen Gebäudes führt zum Konflikt zwischen den Beteiligten. Eine erfahrene Rechtsanwältin schlichtet den Streit nach SOBau und führt in nur neun Monaten eine Einigung zwischen den Parteien herbei.
Eine Versicherungsgesellschaft errichtet den Neubau ihres Verwaltungsgebäudes. Der Entwurf der Architekten sieht ein 17-geschossiges Hochhaus mit Stahl-Glasfassaden und einem ansprechenden Dachgarten als Pausenzentrum für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor. Dieser zeichnet sich durch besondere Transparenz aus, da er von Attika-Verglasungen umschlossen wird, die teilweise in geschwungenen bzw. gebogenen Gläsern ausgeführt sind, welche nach Ausführung der Verglasungsarbeiten vom Bauherrn mit – wie Siebdruck wirkenden – Vogelschutzfolien beklebt wurden. Die für die Reinigung und Wartungsarbeiten bei einer solchen Stahl-Glasfassade notwendige Befahranlage auf dem Dach soll in filigraner Form ausgeführt werden, damit die Gesamtoptik nicht gestört wird.
Streit über Ausführung von Bauleistungen
Die Schlussabnahme wird vom Bauamt verweigert, weil durch die Verglasung der Nachweis einer Absturzsicherung nicht geführt ist. In der Folge entsteht Streit zwischen den Parteien, ob überhaupt die richtigen Gläser ausgeführt wurden, wobei das – vom Projektsteuerer erstellte – Leistungsverzeichnis durchaus die Quelle für Missverständnisse und Streit bezüglich der Auslegung der zu verwendenden Gläser bietet. In unregelmäßigen Abständen reißen Gläser und bezüglich der Ursachen sind alle Beteiligten natürlich unterschiedlicher Meinung. Aus Sicht des Bauherrn wurden die falschen Gläser eingebaut. Aus Sicht des Unternehmers führt die aufgeklebte Vogelschutzfolie zur Aufheizung und den Rissen. Streitig ist weiter, ob Planungsfehler der Architekten (eine Absturzsicherung kann man nicht durch Glas schaffen!) oder der Projektsteuerer, die für Fassade und Befahranlage verantwortlich sind, ursächlich geworden sind oder ob es sich um reine Ausführungsmängel handelt.
Widersprüchliche Gutachten
Jede der Parteien lässt zum Nachweis der von ihr vertretenen Meinung Privatgutachten erstellen, sodass zum Zeitpunkt des Beginns der Schlichtung eine Vielzahl einander widersprechender Gutachten vorliegen. Im Werkvertrag zwischen Bauherr und Unternehmer ist für den Fall des Auftretens von Streitigkeiten die Durchführung einer Schlichtung nach SOBau vereinbart, in den Verträgen mit dem Architekten bzw. dem Projektsteuerer nicht, weil deren Haftpflichtversicherer die vom Bauherrn gewünschte Schlichtung nicht akzeptierten.
Im Dezember leitet der Bauherr gegen den ausführenden Unternehmer die Schlichtung nach SOBau ein. Die Schlichterin fordert von beiden Seiten die Vertragsunterlagen, die Korrespondenz sowie weitere Unterlagen. Die erste Schlichtungsverhandlung findet im Februar des Folgejahres statt. Nach Durchführung einer ganztätigen Schlichtungsverhandlung, die nach den Regeln der SOBau abläuft, schließen die Parteien auf Anraten der Schlichterin einen ersten Teilvergleich. Sie einigen sich auf zwei Personen als Schiedsgutachter, die mit Wirkung für beide Parteien die Mangelursachen und die Sanierungsmöglichkeiten feststellen sollen. Die Schlichterin veranlasst im Auftrag der Schiedsparteien die Begutachtung und setzt mit Festsetzung des nächsten Schlichtungstermins im Mai die Schiedsgutachter zeitlich unter Druck, die jedoch pünktlich zum zweiten Schlichtungstermin ihre Gutachtensergebnisse vorlegen.
Über Teilvergleiche zum Gesamtvergleich
Bei beiden Gewerken ergibt sich, dass gegenüber der vom Bauherrn ursprünglich geforderten Totalsanierung (Abriss und Neuerstellung) in technischer Hinsicht kleinere bzw. weniger kostenaufwendige Sanierungsmöglichkeiten bestehen, die nur mit Zustimmung des Bauherrn vereinbart werden können, weil die mittels Geländer zu schaffende Absturzsicherung auf der Dachterrasse wie auch die Herstellung der Funktionsfähigkeit der Befahranlage gewisse Änderungen vom ursprünglich vorgesehenen architektonischen Gesamtkonzept beinhalten. In einem zweiten Teilvergleich einigen die Parteien sich darauf, dass sie der mit geringeren Kosten verbundenen ,,kleinen Sanierungslösung“ zustimmen. Die Schiedsgutachter werden im zweiten Teilvergleich beauftragt, mit Wirkung für beide Parteien den verbindlichen Sanierungsvorschlag technisch auszuarbeiten. Da die erste Stufe der Begutachtung ergeben hat, dass Planungsmängel einerseits der Architekten und andererseits der Projektsteuerer (Fassade) mit ursächlich geworden sind, soll versucht werden, in der nächsten Stufe sowohl die Architektengemeinschaft wie auch den Projektsteuerer ins Boot der Schlichtung hineinzuholen. Der Unternehmer erhebt außerdem die Forderung, dass der Bauherr – im Sinne eines Gesamtvergleichs – auch die streitige Werklohnforderung einer einvernehmlichen Regelung zuführt. Da der Streit über die Restwerklohnvergütung bisher noch nicht Gegenstand der Schlichtung war, wird vereinbart, dass der Unternehmer rechtzeitig vor dem nächsten Schlichtungstermin (Mitte August) die Werklohnforderung schlüssig vorträgt und dass umgekehrt der Bauherr die Schlussrechnung nun abschließend prüft und das Prüfergebnis rechtzeitig vorlegt. Die Architekten und der Projektsteuerer werden zum nächsten Termin ebenfalls eingeladen.
Einigung in neun Monaten
Die abschließende Schlichtungsverhandlung findet Mitte August statt. Die Architekten nehmen teil, weisen allerdings darauf hin, dass sie für einen abschließenden Vergleich noch die Zustimmung ihres Haftpflichtversicherers benötigen, der einer Schlichtung nach der SOBau äußerst kritisch gegenüber steht. Der Projektsteuerer lässt mitteilen, er sehe keine Veranlassung zur Teilnahme, da er einwandfrei geplant und gearbeitet habe. In der abschließenden Schlichtungsverhandlung erläutern die beiden Sachverständigen ihre Sanierungskonzepte. Sie erläutern auch, in welchem Umfange Planungsfehler mit ursächlich geworden sind. Der abschließende Vergleich beinhaltet die Einigung der Parteien über die Durchführung der „kleinen Sanierungen“ nach den Vorschlägen der beiden Schiedsgutachter. Bezüglich der Verteilung der Kosten der Sanierungsmaßnahmen einschließlich der Kosten des Schlichtungsverfahrens einigen die Parteien sich wie folgt: Die Gesamtkosten werden zu je einem Viertel vom Bauherrn, dem ausführenden Unternehmer, den Architekten und dem Projektsteuerer getragen. Bezüglich der Architekten steht der Vergleich unter der aufschiebenden Bedingung der Zustimmung des Haftpflichtversicherers. Bezüglich des Projektsteuerers steht der Abschluss des Vergleichs unter der aufschiebenden Bedingung der Zustimmung des Projektsteuerers bzw. seines Haftpflichtversicherers. Für den Fall, dass diese nicht erteilt wird, verteilen sich die Kosten auf die übrigen Parteien der Schlichtung, die für diesen Fall im Vergleich die Regelung treffen, dass sie dann alle gemeinschaftlich im Rahmen des gesamtschuldnerischen Innenausgleichs den Projektsteuerer verklagen werden. Einen förmlichen Beitritt zum Schlichtungsverfahren mochte der Architekten-Haftpflichtversicherer zwar nicht erklären, wohl aber die Zustimmung zum Vergleich und die Beteiligung an den Kosten. Auch mit dem Projektsteurer konnte nachträglich die angestrebte gütliche Einigung herbeigeführt werden.
Das Verfahren hat insgesamt 9 Monate gedauert. In dieser Zeit wurden in der ersten Stufe in rechtlicher Hinsicht die Grundlagen und in technischer Hinsicht die Ursachen der aufgetretenen Mängel geklärt. In der zweiten Stufe wurden die Sanierungsmöglichkeiten in technischer Hinsicht geklärt und von den beiden Werkvertragsparteien akzeptiert. In der dritten Stufe erfolgte die Festlegung der Sanierung in technischer Hinsicht. In rechtlicher Hinsicht wurde eine Gesamteinigung über die Kosten der Sanierung, des Schiedsgerichtsverfahrens und über die zu zahlende Restwerklohnvergütung getroffen. Die Vergütung der Schlichterin erfolgte nach dem RVG. Mit dem abgeschlossenen Vergleich wurde die Erfolgsquote der Schlichterin bestätigt, die bisher 100 Prozent der von ihr durchgeführten Schlichtungsverfahren nach der SOBau mit Vergleich beenden konnte.
Dr. Anke Leineweber
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Bau-und Architektenrecht
Schlichterin und Mediatorin nach SOBau
Mitglied in der ARGE Baurecht