Schlichtung mit mehreren Kontrahenten
Sechs junge Männer hatten sich zu Beginn ihrer Ausbildung als Schreiner bzw. Studenten der Architektur oder Kommunikationswissenschaften/Design zusammen getan mit dem Ziel als Gestaltungskollektiv Begegnungsstätten im öffentlichen Raum zu schaffen, um den Dialog zu fördern.
Die Situation
Im Laufe der Jahre veränderten sich die individuellen Zukunftspläne, das Miteinander war zusehends konfrontativ und endete mit dem Wunsch einiger, das Kollektiv aufzulösen. Da das Kollektiv inzwischen als juristische Person organisiert war, Räume angemietet und Betriebsmittel angeschafft hatte, galt es hier, eine Aufteilung zu finden, die konsensfähig war. Das eigentliche Problem waren aber Name und Image, das sich das Kollektiv erarbeitet hatte und ihr Markenzeichen war.
Die Beteiligten hatten schon mit Hilfe von Anwälten vergeblich versucht, das Konstrukt zu beenden. Sie wandten sich schließlich an mich, um eine Schlichtung zu versuchen.
Das Verfahren
1. Schritt
Eine Schlichtung mit sechs Personen war für mich neu und herausfordernd. Ich habe als erstes mit den sechs Beteiligten eine Videokonferenz durchgeführt. Dabei stand das Kennenlernen im Vordergrund, um zu sondieren, ob alle sich überhaupt vorstellen konnten, dass ich ihnen bei der Lösung helfen könne. Ich stellte mich vor und erläuterte, wie der Prozess gestaltet werden kann und wie ich mir mein Honorar vorstelle. Die Videokonferenz endete mit einem neuen Termin, bis zu dem sich die Herren überlegen sollten, ob sie es mit mir versuchen wollen.
2. Schritt
Die 2. Videokonferenz fand wieder mit allen Beteiligten statt und alle waren mit dem Schlichtungsversuch und den Honorarbedingungen einverstanden. Diese sahen so aus, dass ich Tagessätze für die Schlichtung und Stundenhonorare für die Vorbereitung ansetze. Da sechs im Auge zu behalten sind und auch gesellschaftsrechtliche Fragen zu bedenken waren, holte ich mir eine Co-Schlichterin dazu, die zugleich auch Fachanwältin für Gesellschaftsrecht ist. Das Gespräch endete mit der Verteilung von Hausaufgaben und einer Terminvereinbarung in Präsenz. Die Hausaufgabe bestand darin, dass mir alle Beteiligten ihre Sicht auf die Dinge und ihre Wünsche für die Zukunft schriftlich zukommen lassen sollten, was auch erfolgte.
3. Schritt: Sitzung vor Ort
Wir haben uns in der Werkstatt getroffen und einen Stuhlkreis gebildet. Schnell war zu spüren, dass es zwei mit jeweils drei Personen besetzte Lager gab. Das eine Lager waren die „Bauleute“ und das andere Lager waren die Kommunikationsdesigner, die sich jeweils von den anderen nicht ausreichend wertgeschätzt fühlten. Das war ein entscheidender Knackpunkt, weil jede Seite für sich die Fortführung des Namens beanspruchte.
Es brauchte fünf Sitzungen, um zu einer Lösung zu kommen. Dabei haben wir darauf geachtet, dass wir alle wechselnde Plätze einnahmen, um nicht erkennbar auf den eingenommenen Positionen zu beharren, sondern vielmehr auch eine andere Perspektive einzunehmen. Jede Sitzung endete mit Hausaufgaben, die der Reflektion dienten und vor allem den Blick in die Zukunft lenkten.
Ich muss selbstkritisch anmerken, dass meine Kollegin und ich zu früh den Fokus auf Schlichtung gesetzt hatten, indem wir Lösungsvorschläge einbrachten, wie sie vermutlich in der Vergangenheit auch schon von den Anwaltskollegen eingebracht worden waren. Ein entscheidender Schritt zur Lösung war der Wechsel von der Schlichtung zur Mediation, also der Verzicht zu glauben, man könne die Konfliktlösung beschleunigen, indem man Vorschläge unterbreitet, weil man meint, man wisse, wie die Lösung aussehen könne und was für die Handelnden gut ist. Der Konflikt verlangte Entschleunigung, Aussprache und bei mir die Erkenntnis, dass hier sechs äußerst kreative Männer saßen und diese Kreativität für die Lösungssuche verstärkt genutzt werden musste.
4. Schritt
Allen Beteiligten wurde dann klar, dass die Trennung unvermeidlich ist und den Verzicht aller auf die Fortführung der Marke verlangte. Der sich anschließende Schritt hin zur konkreten Lösung bestand in der Klärung, wie die Beendigung der Gesellschaft nach Außen kommuniziert wird, wann die website abgeschaltet wird, wer in welcher Form mit den Projekten der Vergangenheit werben darf und wie mit den angemieteten Räumen und Betriebsmitteln umgegangen wird. Es mündete in Gesellschafterbeschlüssen, die meine Kollegin vorbereitete.
5. Fazit
Schlichtung und Mediation sind nach meiner Überzeugung nur in Präsenz möglich. Auf die Körpersprache ist großer Wert zu legen. Es ist notwendig, auf ein „sichtliches“ Unbehagen zu reagieren. Das ist bei vielen Beteiligten schwierig, weshalb ich in einer solchen Konstellation wieder auf eine Co-Schlichterin/Mediatorin zurückgreifen würde.
Als besondere Wertschätzung habe ich es empfunden, dass die Sechs im Anschluss noch einmal eine Videokonferenz organisierten, um zum Ausdruck zu bringen, dass sich das Verfahren und Mühe aus ihrer Sicht gelohnt hatte.
Heike Rath
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Bau-und Architektenrecht
Schlichterin nach SOBau
Mitbegründerin der ARGE Baurecht
und Mitglied im Geschäftsführenden Ausschuss (1992-2013)