„Eines der besten Seminare, die ich jemals besucht habe“
31. Mai 2024 – Seit Ende April 2024 ist Rechtsanwalt Martin Haucke Schlichter für Baustreitigkeiten. Im Zuge der fünftägigen Ausbildung lernte er die unterschiedlichen Methoden zur außergerichtlichen Streitbeilegung kennen, die die Schlichtungs- und Schiedsordnung für Baustreitigkeiten (SOBau) bereithält.
Vor allem aber berichtet Kollege Haucke, habe das Seminar ihm neue Perspektiven zur Fallbearbeitung aufgezeigt. „Ich habe nun zusätzliche Möglichkeiten, um Baustreitigkeiten schnell und rechtssicher beizulegen“, sagt der Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht. Wir sprachen mit ihm über Schlichtung und Co. und seine persönlichen Highlights und Aha-Momente in der Schlichtungsausbildung.
Herr Haucke, wollten Sie schon immer Schlichter für Baustreitigkeiten werden?
Naja, eigentlich eher nicht (lacht). Wir Rechtsanwälte vertreten ja die Interessen unserer Mandanten und versuchen, diese mit allen Mitteln durchzusetzen. Dabei denken wir vorrangig erst einmal nicht an eine gütliche Lösung. In der Regel gehen wir also nicht als Erstes auf die Gegenseite zu und reichen denen die Hände. Viel öfter geht es darum alle juristischen Register zu ziehen, frei nach dem Motto der Mandanten ‚Das ist mein Geld und das will ich jetzt haben‘. Dabei bieten außergerichtliche Lösungen deutliche Vorteile, vor allem, wenn man sich die Verfahrensdauer staatlicher Gerichtsprozesse in Bausachen anschaut.
Letzten Herbst fiel mir dann das Logo „Schlichter für Baustreitigkeiten nach SOBau“ auf dem Briefbogen eines Kollegen auf. Das fand ich spannend, sodass ich einen Blick auf die Webseite sobau.de geworfen habe. Da war dann die Rede von der Schlichtungsausbildung, terminlich passend und dann auch noch in Hamburg. Der Gedanke – sich über Alternativen zu gerichtlichen Auseinandersetzungen zu informieren – weckte mein Interesse. Also habe ich mich einfach mal angemeldet.
Welche Rolle haben außergerichtliche Streitbeilegung in Ihrer täglichen Praxis bisher gespielt? Welche Rolle werden sie künftig spielen?
Das Erarbeiten außergerichtlicher Lösungen ist zwar durchaus gängige Praxis, kommt aber bei weitem nicht tagtäglich vor. Häufiger ist nach meiner Erfahrung die Einleitung gerichtlicher Verfahren, die durch Entscheidungen der Gerichte oder durch Vergleiche beendet werden – meistens nach langen Verfahren. Es kommt aber auch immer darauf an, wen man auf der Gegenseite hat: Die Erarbeitung gütlicher Lösungen ist mit einem erfahrenen Baurechtler deutlich einfacher als mit einem im Baurecht weniger bewanderten Kollegen.
Nach der nun absolvierten Schlichtungsausbildung wird sich mein Arbeitsverhalten insoweit ändern. Ich werde künftig viel häufiger erst einmal herauszuarbeiten, was für meinen Mandanten eigentlich wirklich wichtig ist. Geht es darum, möglichst schnell eine Lösung zu finden, z. B., um weiterzubauen und das Projekt fertigstellen zu können?
In solchen Fällen werde ich viel früher eine Schlichtung oder ein anders geeignetes Verfahren vorschlagen. Das funktioniert sicher nicht mit allen Mandanten. Nicht alle sind offen dafür, sondern wollen einfach salopp gesagt ‚auf den Tisch hauen‘ und ihr Recht bekommen. Aber viele werden – mit der Aussicht auf eine schnelle Lösung – sicher bereit dazu sein.
Was sind aus Ihrer Sicht die besonderen Qualitäten der SOBau 2020, also der im Dezember 2020 novellierten Schlichtungs- und Schiedsordnung für Baustreitigkeiten?
Die SOBau 2020 ist eine sehr kompakte und praxisorientierte Ordnung, die die ARGE Baurecht zu Papier gebracht hat. Die unterschiedlichen Verfahren – Mediation, Schiedsgutachten, schiedsrichterliches und Schlichtungsverfahren – bieten viele Möglichkeiten, einen Streit beizulegen. Wenn Sie die SOBau bereits im Bauvertrag vereinbaren, haben Sie im Konfliktfall die Chance, ohne jahrlangen Gerichtsprozesse eine schnelle und rechtssichere Lösung herbeizuführen. Ich kann das passende Verfahren auswählen, kann die Verjährung hemmen, habe also alle Möglichkeiten. Im Schlichtungsverfahren beispielsweise finde ich innerhalb von ungefähr einem Monat heraus, ob es zur gütlichen Einigung kommt. Wenn ja, wunderbar. Wenn es nicht klappt, kann ich immer noch das gerichtliche Verfahren anstreben.
„Wenn Sie die SOBau bereits im Bauvertrag vereinbaren, haben Sie im Konfliktfall die Chance, ohne jahrlangen Gerichtsprozesse eine schnelle und rechtssichere Lösung herbeizuführen.“
Die SOBau bietet Mediation, Schiedsgutachten, schiedsrichterliches und Schlichtungsverfahren. Welches ist Ihre Lieblingsmethode und warum?
Noch fehlt mir die praktische Erfahrung, aber nach jetzigem Kenntnisstand würde ich die Schlichtung bevorzugen. Diese vereint aus meiner Sicht die Vorteile einer Mediation mit jenen des Schiedsgericht – wobei am Ende immer die Parteien entscheiden, ob es zu einer gütlichen Lösung kommt. Die Schlichtung scheint mir das flexibelste Verfahren zu sein.
Kommen wir zur Schlichtungsausbildung: Wie hat Ihnen die das insgesamt fünftägige Seminar, aufgeteilt in zwei Blöcke, gefallen?
In der Kanzlei wurde erst mal gefrotzelt: ‚Da setzt man sich an den runden Tisch und dann gibt’s erstmal Kekse‘ oder ‚Das bringt doch sowieso nichts, schon mal gar nicht im Baurecht‘. Solche und andere Dinge musste ich mir vorher anhören (lacht). Wobei, auch ich hatte derartige Vorurteile. In meiner täglichen Praxis hatte ich zwar von den Verfahren der Mediation oder Schlichtung gehört, kannte aber die konkreten Unterschiede überhaupt nicht. Das ist nun anders, worüber ich sehr froh bin.
Das Seminar hat mir richtig gut gefallen. Alle Inhalte wurden super präsentiert und vor allem: Wir haben viel miteinander agiert und praktisch in Rollenspielen sowie anderen interaktiven Formaten geübt. Ich würde so weit gehen und sagen: ‚Das ist eines der besten Seminare, die ich jemals gemacht habe
Was hat Ihnen besonders gut gefallen, was würden Sie hervorheben?
In dem Hotel, wo das Schlichtungsseminar stattfand, waren noch andere Räume gebucht. Unter anderem gab es eine Veranstaltung für Rechtsanwälte. Ich dachte, da müsste ich hin, betrat den Raum, fand Reihenbestuhlung und Frontalpräsentation, wie bei Rechtsanwälten üblich, und dachte: Hier muss ich richtig sein – war ich aber nicht (lacht). Ich bin dann einen Raum weiter und fand dort einen Stuhlkreis und andere ungewöhnliche Accessoires vor – und meine eingangs erwähnten Vorurteile zunächst bestätigt. Aber kaum ging das Seminar los, war ich sofort begeistert, von der ungewöhnlichen Art der Präsentation und dem unkomplizierten und kommunikativen Stil der ganzen Veranstaltung.
Gab es besondere Highlights oder Überraschungen für Sie persönlich?
Die unkomplizierte und erfrischende Art der Wissensvermittlung durch die Seminarleitung und die Kommunikation der Teilnehmenden untereinander fand ich richtig gut. Wir haben sehr viel praktisch interagiert und diverse Kommunikationsmethoden kennengelernt. Am meisten Spaß haben die Rollenspiele gemacht, in denen wir typische Szenen aus der Baurechtspraxis nachgestellt und trainiert haben. Einer versuchte sich als Mediator, die anderen beiden mimten Auftraggeber sowie Auftragnehmer und schon gings los. Das war spannend, witzig und absolut lehrreich.
Können Sie besondere Erkenntnis oder vielleicht auch Aha-Momente berichten?
Wir haben verschiedene Kommunikationstechniken gelernt, z. B. das aktive Zuhören oder auch das Spiegeln. Wie man das genau macht und was das für eine Wirkung auf das Gegenüber hat. Wenn Sie so wollen, war das ein ‚Aha-Effekt‘ für mich – als ich realisierte, dass ich das im Alltag viel zu wenig oder auch gar nicht mache. Das werde ich künftig ändern. Ein anderes Thema war, wie sich die Wahrnehmung in bestimmten Situationen verändert und wie subjektiv Wahrnehmung funktioniert. Auch da gab es echte Erkenntnisse, wie Konflikte entstehen können, aufgrund dieser unterschiedlichen Wahrnehmungen.
Gab es vielleicht etwas, das Ihnen weniger gut gefallen hat?
Ich fand die fünf Tage, einmal drei, einmal zwei Tage, einfach zu kurz. (lacht) Ohne Witz: Inhalte und Form der Ausbildung haben derart Spaß und Sinn gemacht, dass ich gerne noch ein, zwei Tage mehr gemacht hätte. Andererseits muss man natürlich aufpassen, dass das Ganze noch in den anwaltlichen Arbeitsalltag passt. Ansonsten gab es aus meiner Sicht nichts zu meckern, ganz im Gegenteil!
„Diese Möglichkeiten, sich außergerichtlich zu einigen, Konflikte schnell und effizient beizulegen, sollten alle Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte kennen.“
Vor kurzen hat sich der Arbeitskreis Schlichtung gegründet. Die Agenda ist noch nicht fixiert. Haben Sie Wünsche, was unbedingt berücksichtigt werden sollte?
Ich würde mir wünschen, dass die SOBau und ihre Möglichkeiten der außergerichtlichen Streitbeilegungsverfahren noch viel bekannter gemacht werden würde. Diese Möglichkeiten, sich außergerichtlich zu einigen, Konflikte schnell und effizient beizulegen, sollten alle Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte kennen.
Ich würde es gut finden, wenn es ein regelmäßiges Treffen geben würde mit denen, die diese Schlichtungen machen wollen oder anbieten. Solche Treffen könnte man nutzen, um praktische Erfahrungen auszutauschen. Das muss nicht immer in Person und Präsenz geschehen, sondern gerne auch online. Das wäre eine feine Sache.
Herr Haucke, wir danken für das Gespräch!
Rechtsanwalt Martin Haucke
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
Schlichter für Baustreitigkeiten
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