Gutachten beim Hausbau
15. November 2022 – In allen Phasen des Hausbaus können Komplikationen auftreten. Diese sind zwar häufig in Abstimmung mit den bauausführenden Firmen zu lösen, manchmal jedoch sehr komplex, so dass Streit unvermeidbar ist. Hier stellen sich für den Bauherrn die Fragen, ob vor, während und im Anschluss der Bauphase Gutachten eingeholt werden sollen, welche Gutachten Sinn machen, welchen Beweiswert die Gutachten haben und welche Kosten anfallen.
Diverse Gutachten-Typen können beim Bau einer Immobilie nützlich sein. Es ist jedoch einzelfallbezogen zu prüfen, ob ein Gutachten für das konkrete Bauvorhaben tatsächlich benötigt wird.
Bodengutachten
In einem Bodengutachten werden insbesondere Feststellungen zur Qualität des Bodens/Erdreichs, der Tragfähigkeit sowie der Grundwasserverhältnisse getroffen. Da die Ergebnisse unter anderem den Statikern und Architekten, die die Baupläne für die Immobilie erstellen, als Basis für ihre Berechnungen dienen, sollte das Bodengutachten möglichst frühzeitig eingeholt werden. Andernfalls besteht das Risiko, dass während der Bauphase unerwartete Hindernisse auftreten, die nicht nur Mehrkosten verursachen, sondern sogar einen temporären Baustopp oder eine endgültige Undurchführbarkeit des Bauvorhabens zur Folge haben können. So kann ein hoher Grundwasserspiegel dazu führen, dass eine besondere und teurere Kellerabdichtung installiert werden muss. Bei einem mit Altlasten verunreinigten Boden ist eine Beseitigung erforderlich, die mit zusätzlichen Kosten verbunden ist. Vor Erstellung des Bodengutachtens sollte feststehen, wo die noch zu bauende Immobilie auf dem Grundstück stehen soll, da insbesondere in diesem Bereich des Bodens mittels Kernbohrungen Proben entnommen werden, die als Grundlage für die sachverständige Prüfung dienen. Die Kosten für ein Bodengutachten belaufen sich bei einem Einfamilienhaus in der Regel auf ca. 500-1 000 Euro, können jedoch bei umfangreichen Untersuchungen oder Zusatzleistungen (z.B. bauchemische Wasseranalyse) auch höher ausfallen.
Mängelgutachten
Bei dem Bau einer Immobilie ist es nicht ungewöhnlich, dass sich während der Bauarbeiten oder bei Abnahme Mängel zeigen. Für einen Bauherrn stellt sich in diesem Fall oft die Frage, welche Ursache der Mangel hat, wie groß dieser ist und wer für ihn verantwortlich ist. Mangels eigener Fachkunde fällt es ihm naturgemäß schwer, hier eine Prognose abzugeben. Aus diesem Grund macht es bei dem Bau einer Immobilie Sinn, einen Sachverständigen mit der Prüfung möglicher Baumängel zu beauftragen. Dabei ist zwischen der Prüfung bei Abnahme und der baubegleitenden Prüfung zu unterscheiden.
Prüfung bei Abnahme
Bei der Abnahme des Bauvorhabens sollte ein Sachverständiger hinzugezogen werden, der den Bauherrn unterstützt, da die Abnahme eine Zäsur bedeutet, mit der verschiedene Rechtsfolgen verbunden sind (z.B. Beweislastumkehr, Beginn der Verjährungsfrist für Mängel). Der Verzicht auf einen Sachverständigen kann schwerwiegende Folgen haben. Unterschreibt der Bauherr das Abnahmeprotokoll, ohne sich seine Rechte bzgl. der Mängel vorzubehalten, besteht das Risiko, dass er diese nicht mehr geltend machen kann. Sind die Mängel bekannt – wobei im Einzelfall die „Kenntnis“ Streitpotenzial birgt – verzichtet der Bauherr mit Unterschreiben des Abnahmeprotokolls auf einen erheblichen Teil seiner Mängelansprüche (v.a. Anspruch auf Nachbesserung). Die Teilnahme eines Sachverständigen an der Abnahme kostet ca. 500-1 000 Euro, die in der Regel jedoch gut investiert sein dürften.
Baubegleitende Prüfung
Bei einer baubegleitenden Prüfung ist der Prüfungsumfang komplexer als bei der Prüfung bei Abnahme, da der Sachverständige mehrfach tätig wird. Der Umfang kann dabei individuell beauftragt werden. Zunächst prüft der Sachverständige, ob die Planung mangelfrei ist und dem aktuellen Stand der Technik entspricht. Während der Bauausführung überprüft er zudem an mehreren Ortsterminen stichprobenartig, ob die Bauleistungen mangelfrei ausgeführt wurden. Wenn dem Sachverständigen Mängel auffallen, kann die bauausführende Firma frühzeitig mit diesen konfrontiert werden und diese im Idealfall beseitigen, bevor weitere Schäden entstehen.Die Kosten für eine baubegleitende Prüfung betragen ca. 3 000-6 000 Euro, wobei der jeweilige konkrete zeitliche Aufwand maßgeblich ist. Dieser ist aufgrund der verschiedenen Ortstermine höher als bei einer bloßen Teilnahme an der Abnahme. Ob diese Kosten investiert werden sollen, muss letztlich jeder Bauherr selbst entscheiden. Insbesondere bei schadensanfälligen Leistungen (z.B. Abdichtungsarbeiten) macht eine stichprobenartige Prüfung jedoch oftmals Sinn.
Der Verzicht auf einen Sachverständigen kann schwerwiegende Folgen haben.
Gutachten zum Baufortschritt
Des Weiteren kann eine Dokumentation des Baufortschritts angebracht sein. Dabei handelt es sich nicht um ein klassisches Gutachten, sondern eher um eine Art Zustandsfeststellung, die während der Bauarbeiten (ggf. mehrfach) vorgenommen wird. Durch die Dokumentation kann der Nachweis erleichtert werden, wann ein Mangel entstanden ist und welches Gewerk ihn verursacht hat. Die Bauleistungen bauen häufig aufeinander auf, sodass zeitlich früher erbrachte Leistungen nur mit höherem Aufwand überprüfbar sind (Beispiel: der Estrich wird vom Bodenbelag verdeckt). Durch eine Dokumentation des Baufortschritts kann zumindest eine teilweise Überprüfung (z.B. anhand von Fotos) erfolgen. Dies macht insbesondere dann Sinn, wenn verschiedene Firmen mit der Bauausführung beauftragt wurden. Die Dokumentation des Baufortschritts kann regelmäßig im Rahmen der baubegleitenden Prüfung erfolgen.
Sonstige Gutachten
Im Einzelfall kann es sinnvoll sein, weitere Gutachten einzuholen. Im Idealfall wird der Bauherr von einem bereits beauftragten Sachverständigen (z.B. dem Mängel-Sachverständigen) darauf hingewiesen oder die Thematik ist ohnehin offensichtlich. Beispielsweise kann eine erhöhte Feuchtigkeit des Dachstuhls ein spezielles Schimmel-Gutachten erforderlich machen.
Beweiswert und Gerichtsverwertbarkeit
Bei der Frage des Beweiswerts und der Gerichtsverwertbarkeit von Gutachten, die der Bauherr in Auftrag gegeben hat, ist Vorsicht geboten, da es sich bei solchen Gutachten lediglich um sogenannte Privatgutachten handelt. Anders als ein Gutachten, das während einer gerichtlichen Auseinandersetzung vom Gericht in Auftrag gegeben wurde, stellt das Privatgutachten keinen Sachverständigenbeweis dar, sondern vertieft und präzisiert lediglich den Vortrag der jeweiligen Partei. Infolgedessen ist der Beweiswert erheblich geringer als bei einem Gerichtsgutachten. Dies lässt sich u.a. damit begründen, dass das Gericht bei Privatgutachten den Prüfungsumfang nicht vorgibt und der Sachverständige bei Erstellung des Privatgutachtens möglicherweise nicht über alle relevanten Informationen verfügt hat. Gerichte neigen aufgrund des geringeren Beweiswerts von Privatgutachten dazu, einen eigenen gerichtlichen Sachverständigen zu beauftragen, der ebenfalls eine sachverständige Prüfung des streitigen Sachverhalts durchführt. Die Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen sieht das Gericht regelmäßig als maßgeblich an, weshalb die Bedeutung eines Gerichtsgutachtens deutlich höher einzuordnen ist als die eines Privatgutachtens. Dennoch liefern Privatgutachten Hinweise auf mögliche Mängel und erleichtern deren Nachweis.
Zusammenfassung
Letztlich muss jeder Bauherr selbst entscheiden, ob er Sachverständige bei dem Bau seiner Immobilie hinzuziehen will und welche Art von Sachverständigen er auswählt. Insbesondere wenn es bereits vor oder während der Bauphase zu Problemen kommt (z.B. offensichtliche Mängel), sollte die Investition in einen Sachverständigen jedoch als ernsthafte Option in Erwägung gezogen werden, um spätere, oftmals deutlich höhere Schäden zu vermeiden.
Auswahl des Sachverständigen
Bei der Auswahl eines Sachverständigen ist zu beachten, dass die Bezeichnung „Bausachverständiger“ nicht geschützt ist und jeder diesen Begriff verwenden darf. Der Bauherr sollte möglichst einen öffentlich bestellten und vereidigten Bausachverständigen beauftragen, da diese Bezeichnung von einer offiziellen Stelle (häufig: Industrie- und Handelskammer) nach Prüfung der Eignung und Sachkunde verliehen wird. Auch Gerichte beauftragen bevorzugt Sachverständige mit dieser Qualifizierung. Zumindest sollte der Sachverständige nach Nachweisen seiner Qualifikation gefragt werden, die er auch durch Fortbildungsmaßnahmen, Referenzen, etc. belegen kann.
Sollte die bauausführende Firma einen „schlüsselfertigen“ Bau der Immobilie schulden, beschäftigt sie häufig eigene Architekten oder Ingenieure, die die Planung übernehmen. Aufgrund dieses Näheverhältnisses sollte der Bauherr deren Ratschläge bei Streit mit der bauausführenden Firma jedoch mit Vorsicht genießen.
Jan Greve
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
Der Beitrag „Achtung bei der Bau-Abnahme“ erschien zuerst in der Zeitschrift „bauen.“, Ausgabe 12-01/2023. Sie können den Beitrag hier online betrachten und herunterladen.