Der Bauträger und die (vermeintliche) Abnahme I
11. März 2024 – Die Abnahme der Bauleistung des Bauträgers durch alle Erwerber entfaltet zahlreiche Rechtswirkungen, die für den Bauträger nicht nur günstig, sondern auch extrem wichtig sind: Der Vergütungsanspruch wird fällig, die Leistungs- und Vergütungsgefahr geht auf den Erwerber über, die Verjährung für Mängelansprüche beginnt und die Beweislast für Mängelansprüche trifft nun den Erwerber.
Zum Ende eines Bauvorhabens steht häufig die Zahlung der Schlussrate im Vordergrund. Die Fixierung auf die Schlussrate verstellt häufig den Blick darauf, dass für den Bauträger von ganz zentraler Bedeutung der Beginn der Verjährung der Mängelrechte ist. Denn gerade bei den Mängelrechten sieht sich der Bauträger einem gravierenden Problem ausgesetzt, das – viele Jahre später – verheerende Folgen haben kann.
Bauträger errichten in der Regel ihre Projekte nicht selbst, sondern beauftragen die Bauleistungen an Dritte – bei kleineren Projekten häufig in Einzelvergaben, bei größeren Projekten kommen erfahrene Generalunternehmer zum Zug. Insbesondere bei der Einzelvergabe besteht die Problematik, dass die einzelnen Gewerke zu einem viel früheren Zeitpunkt, als es der Bauträger von den Erwerbern verlangen kann, die Abnahme ihrer jeweiligen Leistungen verlangen können.
Bei der Beauftragung von Generalunternehmern ist die Situation diesbezüglich deutlich günstiger für den Bauträger. Gleichwohl steht der Bauträger vor dem Problem, dass er gegenüber einzelnen Erwerbern deutlich länger der Gewährleistung ausgesetzt sein kann, als der Generalunternehmer dem Bauträger gegenüber in der Pflicht steht. Das kann dazu führen, dass der Bauträger für Mängel, die eigentlich vom Generalunternehmer zu verantworten sind, gegenüber den Erwerbern noch haftet, ohne sich beim Generalunternehmer schadlos halten zu können. Von besonderer Bedeutung ist dabei, dass dann, wenn Mängel am Gemeinschaftseigentum betroffen sind, der Erwerber nicht etwa auf seinen Miteigentumsanteil beschränkt ist, sondern die vollständige Mangelbeseitigung der Mängel am Gemeinschaftseigentum verlangen kann. Im Regelfall werden die Mängelrechte von der WEG ausgeübt, die dann ebenfalls nicht auf einen entsprechenden Miteigentumsanteil beschränkt ist. Auch bei größeren Anlagen mit vielen Erwerbern genügt es, wenn nur ein einziger Erwerber noch unverjährte Mängelrechte geltend machen kann. Klagt die WEG in Prozessstandschaft für sämtliche Wohnungseigentümer, ist es ausreichend, wenn nur noch einer der Eigentümer unverjährte Gewährleistungsansprüche hat.
Vor diesem Hintergrund wundert es nicht, dass es eine Vielzahl von Bemühungen gab und gibt, möglichst frühzeitig eine Abnahme von den Erwerbern zu erlangen. Dabei kam und kommt es immer wieder zu Vertragskonstruktionen, die gegen das AGB-Recht verstoßen und nichtig sind, was regelmäßig Folge hat, dass der Erwerber die Abnahme verweigert oder aber – und das ist wesentlich gefährlicher – nur vermeintlich eine wirksame Abnahme eines Erwerbers vorliegt, in Wahrheit aber eine Abnahme gerade nicht erfolgt ist.
Dies kann wirtschaftlich für den Bauträger verheerende Folgen haben, da der Bauträger viele Jahre nach dem – vermeintlichen – Ablauf der Gewährleistung von 5 Jahren noch erfolgreich in die Haftung genommen werden kann. In unserer Praxis haben wir Fälle, in denen über 10 Jahre nach (vermeintlichem) Ablauf der Gewährleistung – also 15 Jahre nach Bezug! durch den Erwerber- der Bauträger noch erfolgreich in die Haftung genommen werden konnte.
Bei allen Abnahmeregelungen muss man sich vor Augen führen, dass die Abnahme ein zentrales „Recht“ des einzelnen Erwerbers ist, das dem Erwerber nicht genommen werden kann.
Unproblematisch: Teilabnahmen
Bei der Schaffung von Wohnungseigentum erfolgt die Abnahme von Sondereigentum und Gemeinschaftseigentum im Regelfall getrennt, da die Fertigstellung und Besitzverschaffung des Sondereigentums häufig vor der Gesamtfertigstellung vereinbart wird. Bei der Abnahme des Sondereigentums durch den Erwerber handelt es sich somit um eine Teilabnahme, die im Regelfall Zug um Zug gegen Zahlung der Bezugsfertigkeitsrate erfolgt. Solche Teilabnahmen des Sonder- und Gemeinschaftseigentums werden auch in Allgemeinen Geschäftsbedingungen als zulässig erachtet, zumal in § 640 BGB die Vereinbarung von Teilabnahmen ausdrücklich vorgesehen ist. Das gilt auch, wenn weitere Teilabnahmen des Gemeinschaftseigentums – etwa wegen der zeitlich versetzten Ausführung von Außenanlagen oder Garagen – vorgesehen sind.
Problematische Abnahmeklauseln
Insbesondere in Bezug auf die Abnahme des Gemeinschaftseigentums hat der Bauträger ein nachvollziehbares Interesse daran, dass eine einheitliche Regelung erfolgt und sämtliche Erwerber zum gleichen Zeitpunkt die Abnahme des Gemeinschaftseigentums erklären. Zu diesem Zweck wurden insbesondere Vertretungsregelungen in Bauträgerverträge aufgenommen, nach denen ein von den Erwerbern bevollmächtigter Vertreter eine einheitliche Abnahme für sämtliche Erwerber erklären sollte. Eine Vielzahl dieser Klauseln ist in der Vergangenheit von der Rechtsprechung kassiert worden.
Verdrängende Abnahmeklauseln, mit denen der Erwerber sich unwiderruflich verpflichtet, eine bestimmte Person zur Abnahme zu bevollmächtigen, sind unwirksam (OLG Düsseldorf, Urt. v. 23.10.2012 – 23 U 112/11). Eine Vertretung muss daher zwingend widerruflich erteilt werden und es muss im Sinne des Transparenzgebotes im Bauträgervertrag ausdrücklich klargestellt sein, dass der Erwerber die Vollmacht frei widerrufen und selbst die Abnahme erklären oder verweigern kann.
Klauseln, die eine Person mit der Abnahme des Gemeinschaftseigentums betrauen, die aus dem potentiellen Lager des Bauträgers stammen – zum Beispiel der vom Bauträger eingesetzte Erstverwalter oder ein vom Bauträger benannter Sachverständiger – werden ebenfalls als unwirksam erachtet.
Folgen der unwirksamen Abnahme: Mängelrechte verjähren nicht
Ist die Regelung im Bauträgervertrag bezüglich der Abnahme unwirksam, führt das dazu, dass die durch den Vertreter vorgenommene Abnahme ebenfalls nicht wirksam ist. In einem solchen Fall kann sich der Bauträger auch nicht darauf berufen, dass aufgrund der fehlenden Abnahme der Vertrag noch im Erfüllungsstadium sei und Erfüllungsansprüche verjährt seien. Denn der Bauträger hat durch die Verwendung der Klausel selbst den Eindruck erweckt, dass das Erfüllungsstadium beendet sei. Der BGH erklärt das so: „Die Beklagte [Bauträger] hat mit der genannten Klausel den Eindruck erweckt, dass das Erfüllungsstadium aufgrund erfolgter Abnahme des Gemeinschaftseigentums beendet sei (vgl. BGH, Urteil vom 30. Juni 1983 – VII ZR 185/81, BauR 1983, 573, 575 zur Teilabnahmefähigkeit des Gemeinschaftseigentums). Sie muss daher als Verwenderin nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) den Nachteil tragen, dass sie trotz fehlender Abnahme des Gemeinschaftseigentums mit Mängelansprüchen konfrontiert wird. […] Die von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung greift nicht. Die Verjährung des Nacherfüllungsanspruchs gemäß § 634 Nr. 1, § 635 BGB beginnt erst mit der Abnahme, § 634a Abs. 2 BGB.“ (BGH, Urt. v. 30.06.2016, VII ZR 188/13).
Da auch für die konkludente Abnahme ein Erklärungsbewusstsein erforderlich ist (OLG München, Urt. v. 15.12.2008, 9 U 4149/08), ist in solchen Fällen eine entsprechende Argumentation, dass durch die – auch jahrelange und unbeanstandete – Ingebrauchnahme sowohl des Sonder- als auch des Gemeinschaftseigentums oder die Zahlung der vollständigen Vergütung problematisch, weil der Erwerber der irrigen Annahme unterliegt, das Werk sei bereits abgenommen (OLG Karlsruhe, Urt. v. 27.09.2011 – 8 U 106/10).
Besonderheit der Nachzüglerfälle
Häufig sind insbesondere bei größeren Einheiten nicht alle Einheiten bei Fertigstellung verkauft. Es kommt vor, dass die letzte Einheit Jahre später verkauft wird. Diese Nachzüglerfälle haben für den Bauträger eine besondere Brisanz. Denn für Anwendung des Werkvertragsrechts spielt es keine Rolle, dass das Bauwerk bei Vertragsschluss bereits fertiggestellt ist. Maßgeblich ist nach der Rechtsprechung des BGH, ob der Vertragsgegenstand als neu errichtet anzusehen ist, was der BGH auch bei Wohnungen, die erst zwei Jahre nach Errichtung der Wohnanlage veräußert wurden, bereits bejaht hat (BGH, Urt. v. 21.02.1985, VII ZR 72/84).
Das bedeutet, dass dem Nachzügler-Erwerber, der seine Wohnung erst 2 Jahre nach der Fertigstellung erwirbt und bezieht trotzdem die 5-jährige Gewährleistung zusteht. De facto führt das zu einer Gewährleistungsverlängerung des Bauträgers in Bezug auf das Gemeinschaftseigentum gegenüber der WEG. Sämtliche Versuche, dem Nachzügler diese Rechte abzuschneiden, scheitern.
Insbesondere die Formulierung in einem Bauträgervertrag, dass der Nachzügler an die bereits erklärte Abnahme des Gemeinschaftseigentums gebunden sei, ist unwirksam (BGH, Urt. v. 25.02.2016 – VII ZR 49/15). Damit dürfte jedweder Versuch, die Gewährleistung des Nachzüglers zu verkürzen, ausgeschlossen sein.
Die einzige Lösungsmöglichkeit ist es, die Wohnungen zunächst für eine Dauer von 3 Jahren zu vermieten und dann als gebrauchte Wohnungen unter Ausschluss der Gewährleistung zu verkaufen. Denn bei Eigentumswohnungen, die ein Bauträger ungefähr drei Jahre nach Errichtung veräußert und die zuvor vermietet waren, richtet sich die Sachmängelhaftung nach Kaufvertragsrecht (BGH, Urt. v. 25.02.2016 – VII ZR 156/13).
Fazit
Für den Bauträger ist die Erlangung einer wirksamen Abnahme von allen Erwerbern von elementarer Bedeutung. Gerade bei größeren Anlagen kann es extrem schwierig sein, von allen Erwerbern ein unterschriebenen Abnahmeprotokoll zu erlangen. Die Mühe lohnt sich jedoch, denn eine fehlende Abnahme kann noch viele Jahre nach (vermeintlichem) Ablauf der Gewährleistung gravierende Folgen haben. Die Kenntnis von dem richtigen Zeitpunkt, bis zu dem der Bauträger gegenüber den Erwerbern in der Haftung steht, ist von elementarer Bedeutung, um als Bauträger selbst gegenüber dem Generalunternehmer in unverjährter Zeit agieren zu können. Sofern eine Abnahme von einzelnen Erwerbern nicht zu erlangen ist, sollte die Klage auf Abnahme erwogen werden. Dieses Instrument führt häufig dazu, dass die Abnahme dann doch noch erklärt wird.
Marco Röder
Rechtsanwalt und Mitglied der ARGE Baurecht