Der Vergleich in Bausachen
30.04.2020 – Gerade in Bausachen werden zahlreiche Prozesse nicht durch Urteil, sondern durch Vergleich beendet. Das beruht nicht zuletzt auf der Erkenntnis der Beteiligten, dass die Aufklärung des Sachverhalts im Wege einer umfangreichen Beweisaufnahme unangemessen viel Zeit in Anspruch nehmen und hohe Kosten verursachen würde. Am Ende eines solchen jahrelangen, mühsamen Prozesses ist das wirtschaftliche Ergebnis auch für den Kläger häufig nicht mehr von Interesse. Rechtsanwalt Dr. Peter Sohn erörtert in seinem Aufsatz sowohl die Grundstrukturen als auch spezielle Probleme auf dem Weg zu einem interessengerechten Vergleichsabschluss.
A. Formen und Grundlagen des Vergleichs
I. Der außergerichtliche Vergleich
Die Legaldefinition findet sich in § 779 Abs. 1 BGB . Danach ist der Vergleich ein Vertrag, durch den der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis im Wege gegenseitigen Nachgebens beseitigt wird. Gem. § 779 Abs. 2 BGB steht der Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis die Unsicherheit über die Verwirklichung des Anspruches gleich.
Der außergerichtliche Vergleich ist an keine bestimmte Form gebunden, es sei denn, es besteht ein entsprechendes materiell rechtliches Erfordernis (z.B. bei Grundstücksgeschäften aus § 311b BGB). Daher kann ein außergerichtlicher Vergleich auch durch konkludentes Handeln abgeschlossen werden kann. Nach der Rechtsprechung des BGH,1 soll in der Einlösung eines Schecks die Annahme eines zuvor entsprechend formulierten Vergleichsangebotes liegen können.
Gleichwohl ist beim außergerichtlichen Vergleich die Schriftform in der Praxis üblich und zu empfehlen; dies sowohl aus Gründen der Dokumentation als auch zur Erleichterung der Durchsetzbarkeit der auf diesem Wege begründeten Ansprüche. Sofern die Voraussetzungen der §§ 592 ff. ZPO erfüllt sind, kann im Wege der Urkundsklage vorgegangen werden, falls der Schuldner den Vergleich später nicht erfüllt.
II. Der Anwaltsvergleich gem. § 796a ZPO
Die Zivilprozessordnung sieht in § 796a ZPO die weitgehend unbekannte Möglichkeit vor, dass ein zwischen Anwälten mit Vollmacht abgeschlossener Vergleich auf Antrag einer Partei für vollstreckbar erklärt wird.
Voraussetzungen sind:
- auf beiden Seiten müssen bevollmächtigte Anwälte beteiligt sein (die Prozessvollmacht ermächtigt gem. § 81 ZPO zum Vergleichsabschluss),
- der Schuldner muss sich im Vergleich der sofortigen Zwangsvollstreckung unterworfen haben;
- der Vergleich muss bei dem gesetzlich bestimmten Amtsgericht niedergelegt worden sein.
Auf Antrag einer Partei kann der Vergleich für vollstreckbar erklärt werden, so dass daraus dann die Zwangsvollstreckung betrieben werden kann. Gegen den Antrag können von Seiten des Schuldners sämtliche Wirksamkeitseinwendungen erhoben werden.2 Zuständig für den Vollstreckbarkeitsantrag ist das in § 796b ZPO bestimmte Gericht.
Die Verfahrensweise ist kompliziert und nicht zuletzt im Hinblick auf die erforderliche Vollstreckungsunterwerfungserklärung in der Praxis nicht beliebt.
III. Der gerichtliche Vergleich
1. Die Güteverhandlung gem. § 278 Abs. 2 ZPO
Nach der Regelung des § 278 Abs. 2 ZPO hat der mündlichen Verhandlung zum Zwecke der gütlichen Beilegung des Rechtsstreits grundsätzlich eine Güteverhandlung voranzugehen, es sei denn, es hat bereits ein Einigungsversuch vor einer außergerichtlichen Gütestelle stattgefunden oder die Güteverhandlung erscheint erkennbar aussichtslos.
Wesentliche Vorteile bietet diese Regelung im Verhältnis zu den klassischen Vergleichsgesprächen in der mündlichen Verhandlung nach meiner Erfahrung nicht. Das Gericht muss den Parteien zunächst einmal durch eine ausführliche Darlegung des Sachverhalts zu erkennen geben, dass der entscheidungserhebliche Sachverhalt vollständig zur Kenntnis genommen worden ist. Sodann wird in aller Regel eine vorläufige Bewertung der Rechtslage folgen. All dies kann auch in der mündlichen Verhandlung erfolgen. Sie bietet gegenüber der Güteverhandlung überdies den Vorteil, dass die Parteien zunächst einmal die Anträge gestellt haben, womit entsprechende prozessuale Konsequenzen verbunden sind.
Erfahrene Richter werden die Güteverhandlung in schwierigen Bauprozessen kurz fassen und die Vergleichsbemühungen erst intensivieren, nachdem die Sach- und Rechtslage in der Verhandlung bereits im Einzelnen erörtert worden ist.
2. Der Vergleich gem. § 278 Abs. 6 ZPO
Hier sind zwei Fallgestaltungen zu unterscheiden. In der Praxis sehr gebräuchlich ist die Möglichkeit, dass die Parteien sich während des laufenden Prozesses einigen, dies dem Gericht schriftsätzlich anzeigen und beantragen, den Abschluss des Vergleichs durch Beschluss gem. § 278 Abs. 6 ZPO feststellen zu lassen. Hierdurch entsteht der Vollstreckungstitel gem. § 794 ZPO .
Alternativ dazu besteht die Möglichkeit, dass das Gericht während des laufenden Prozesses einen Vergleichsvorschlag unterbreitet, der dann von beiden Parteien angenommen wird. Auch hier ergeht auf Antrag die Feststellung des Vergleichsabschlusses durch Beschluss gem. § 278 Abs. 6 ZPO . Dieser stellt wiederum den Vollstreckungstitel dar.
Die Möglichkeiten des Vergleichsabschlusses gem. § 278 Abs. 6 ZPO werden in der Praxis häufig genutzt.
– Ende des Auszugs –
Der vollständige Aufsatz „Der Vergleich in Bausachen“ erschien zuerst in der Fachzeitschrift „Baurecht“ (BauR 2014, 1699 – 1712 (Heft 10)). Sie können den Beitrag hier online betrachten und herunterladen.