Bauen ohne Trauschein
23. Juni 2025 – Was passiert, wenn beim Errichten des neuen Zuhauses Baumängel auftreten? Rechtsanwältin Claudia Stoldt erklärt, worauf Sie dabei vor und nach der Abnahme achten sollten und wie Sie sich rechtlich absichern können.
Der Bau eines eigenen Hauses ist für viele Menschen die größte Investition ihres Lebens. Dabei kommt es leider häufig vor, dass während der Bauphase oder nach der Fertigstellung Mängel auftreten oder sichtbar werden können.
Ein rechtlich sicherer Umgang mit Baumängeln ist für Bauherren essenziell, um ihre Rechte zu wahren und unnötige Kosten oder Streitigkeiten zu vermeiden. Dieser Beitrag dient als Leitfaden, der Bauherren dabei helfen kann, sich viel Ärger zu sparen.
1. Was sind Baumängel?
Ein Baumangel liegt vor, wenn die vereinbarte Beschaffenheit des Bauwerks nicht erfüllt wird oder die Bauleistung nicht den anerkannten Regeln der Technik entspricht. Die vereinbarte Beschaffenheit ist das, was Sie im Bauvertrag vereinbart haben, die anerkannten Regeln der Technik sind im Wesentlichen die einschlägigen DIN-Normen. Mängel können vielfältig sein: Risse im Mauerwerk, feuchte Stellen, ungleichmäßige Oberflächen, nicht funktionierende Haustechnik oder unzureichende Dämmung. Wichtig ist, dass Mängel rechtzeitig erkannt und richtig behandelt werden, um Folgeschäden und rechtliche Probleme zu vermeiden.
2. Mängel vor der Abnahme
Die Abnahme ist ein entscheidender Schritt im Bauprozess. Sie markiert den Zeitpunkt, an dem der Bauherr das Bauwerk offiziell übernimmt und als vertragsgerecht anerkennt. Der Bundesgerichtshof hat in einem Grundsatzurteil entschieden, dass der Bauherr vor der Abnahme der Bauleistung keine Mängelrechte hat (BGH, Urteil vom 19.1.2017 – VII ZR 301/13). Dieses Urteil bedeutet, dass Sie noch keine Fristen zur Mängelbeseitigung setzen können, wohl aber Fristen zur mangelfreien Fertigstellung. Sie können noch keinen Vorschuss für Mängelbeseitigungsarbeiten fordern.
Trotzdem sollten Sie Folgendes beachten:
a) Frühzeitig Mängel erkennen und dokumentieren
Bereits während der Bauphase sollten Bauherren regelmäßig Kontrollen durchführen. Es macht Sinn, sich für die technischen Fragen einen Baubetreuer* hinzuzuholen, der diese Kontrollen durchführt. Mängel am Rohbau können durch den Ausbau verdeckt werden, sind daher später gar nicht mehr sichtbar, daher ist es wichtig, während der Bauphase genau hinzuschauen.
Bei festgestellten Mängeln ist es ratsam, diese sofort schriftlich dem Bauunternehmen oder dem Architekten mitzuteilen. Eine detaillierte Mängelliste mit Fotos und Datum hilft, den Sachverhalt klar zu dokumentieren. Werden die Mängel beseitigt, dann ist alles in Ordnung. Was ist aber, wenn sie nicht beseitigt werden? Es macht trotzdem Sinn, eine schriftliche Mängelrüge zu schreiben und eine Frist zu setzen, die Mängel zu beseitigen.
b) Rechtliche Konsequenzen bei Mängeln vor der Abnahme
Wenn Mängel nicht behoben werden, und es sich um wesentliche Mängel handelt, st der Bauherr nicht verpflichtet, die Abnahme der Bauleistung zu erklären. Werden die Mängel trotz Rüge nicht beseitigt und das Bauvorhaben nicht mangelfrei fertig gestellt, kann der Bauherr auch eine außerordentliche Kündigung des Bauvorhabens erklären.
Bevor man das tut, sollte man sich unbedingt anwaltlichen Rat einholen, da eine Kündigung sehr teuer sein kann. Ein Bauherr kann nämlich immer kündigen, auch ohne Grund, muss dann aber den kompletten Preis an den Bauunternehmer bezahlen, lediglich ersparte Aufwendungen werden abgezogen. Daher sollte eine außerordentliche Kündigung immer das letzte Mittel sein.
Kündigt der Bauherr nicht, und verlangt der Bauunternehmer die Abnahme der Leistungen, dann sind alle vor der Fertigstellung gefundenen und gerügten Mängel in das Abnahmeprotokoll aufzunehmen. Handelt es sich um wesentliche Mängel, darf der Bauherr die Abnahme auch verweigern.
WICHTIG: Wenn der Bauherr sich die Ansprüche wegen der Mängel nicht in dem Abnahmeprotokoll vorbehält, dann hat er auf alle Rechte wegen der Mängel verzichtet, kann diese daher nicht mehr geltend machen, § 640 Abs. 3 BGB
3. Die Abnahme
Die Abnahme erfolgt in der Regel nach Fertigstellung der Bauarbeiten. Sie ist der Moment, in dem der Bauherr das Bauwerk übernimmt und die Gewährleistungsfristen beginnen.
Ablauf der Abnahme
Bei der Abnahme sollte ein gemeinsamer Rundgang mit dem Bauleiter oder Architekten und gegebenfalls dem Baubetreuer des Bauherrn erfolgen. Dabei werden alle Mängel, die noch vorhanden sind, protokolliert. Es ist ratsam, ein schriftliches Abnahmeprotokoll zu erstellen, in dem alle festgestellten Mängel genau dokumentiert werden, und eine Frist, diese zu beseitigen.
In der Praxis wird mir immer wieder berichtet, dass die Bauunternehmen Druck machen, dass zum Beispiel bereits bekannte vorhandene Mängel nicht in das Abnahmeprotokoll aufgenommen werden, oder eine Abnahme erklärt wird, obwohl wesentliche Mängel vorhanden sind.
Wichtig ist, dass eine Abnahme eine einseitige Willenserklärung des Bauherrn ist, das heißt alleine der Bauherr entscheidet, was in dem Abnahmeprotokoll steht und was nicht. Der Bauunternehmer kann gegebenfalls eine andere Meinung protokollieren, darf den Bauherrn aber nicht davon abhalten, Mängel zu dokumentieren. Sollten Sie in eine solche Situation geraten, dann unterschreiben Sie bitte nichts und konsultieren unbedingt einen Rechtsanwalt, damit Sie aus der Drucksituation herauskommen.
4. Mängel nach Abnahme
Nach der Abnahme können immer noch Mängel auftreten. Bei einem Bauwerk haben Sie nach der Abnahme eine 5-jährige Gewährleistungszeit, das heißt. alle Mängel, die innerhalb dieses Zeitraums auftreten, sind durch den Bauunternehmer zu beseitigen.Stellt sich also innerhalb des Gewährleistungszeitraums ein neuer Mangel heraus, müssen Sie zunächst gemäß § 634 BGB Nacherfüllung verlangen, das heißt den Unternehmer auffordern, den Mangel zu beseitigen. Mängelbeseitigung ist nicht nur ein Recht des Bauherrn. Auch der Unternehmer hat seinerseits ein Recht, Mängel an seinem Werk zunächst zu beseitigen. Erst wenn der Unternehmer trotz einer Mängelanzeige den Mangel nicht beseitigt, haben Sie weitere Ansprüche, zum Beispiel:
- Die Selbstvornahme gemäß § 637 BGB: Wenn die Frist zur Mängelbeseitigung abgelaufen ist, können Sie selbst den Mangel beseitigen oder durch ein anderes Unternehmen beseitigen lassen und den Ersatz der erforderlichen Aufwendungen von dem Bauunternehmer verlangen.
- Die Minderung gemäß § 638 BGB: Sie können, statt den Mangel zu beseitigen, auch eine Minderung verlangen, das heißt die Vergütung wird gemindert, Sie erhalten also Geld zurück. Da bei einer Minderung nur der Wertverlust eines Hauses mit dem Mangel geschätzt wird, ist eine Minderung im Regelfall ein eher kleiner Betrag im Verhältnis zu einer Mängelbeseitigung.
- Weiter können Sie auch gemäß §§ 634 Abs. 1 Ziff. 4, 636 BGB Schadenersatz verlangen. Diese Vorschrift ist insbesondere dann wichtig, wenn durch den Mangel zum Beispiel ein weitergehender Schaden entstanden ist. Das gilt beispielsweise, wenn Wasser in das Haus eingetreten ist, wodurch der Teppichboden oder Möbel beschädigt wurden. Der Mangel ist dann in diesem Beispiel eine fehlerhafte Abdichtung des Hauses, wodurch das Wasser eintreten konnte. Der entstandene Schaden ist dann an Ihren Sachen, die Sie selbst eingebracht haben.
Sie können gemäß § 634 Abs. 1 Ziffer 3 BGB bei Baumängeln auch von dem Vertrag zurücktreten. Dies macht in der Praxis allerdings nach der Fertigstellung des Hauses keinen Sinn mehr. Hier empfiehlt es sich einen Ihrer anderen Ansprüche in Betracht zu ziehen.
5. Durchsetzung
Was passiert, wenn der Bauunternehmer nachhaltig keine Mängel beseitigt, und wenn der Bauherr gar nicht das Geld hat, den Schaden selbst zu beseitigen? Hier gibt es zwei Verfahren, mit denen man weiterkommen kann:
- Zum einen ein selbständiges Beweisverfahren, in dem zunächst ein gerichtlicher Sachverständiger die von Ihnen gerügten Mängel überprüft, die Ursache feststellt und die Kosten der Mängelbeseitigung berechnet. Aufgrund dieses Gutachtens kann man dann eine Vorschussklage bei Gericht einreichen und bekommt zunächst diesen Vorschuss bewilligt, um die Mängel danach zu beseitigen. Über diesen Vorschuss muss im Nachgang dann auch abgerechnet werden, das heißt wenn die Mängelbeseitigung teurer war als der Sachverständige geschätzt hat, bekommen Sie Geld hinzu, andersherum wenn die Mängelbeseitigung günstiger war, als der Sachverständige es geschätzt hat, müssen Sie Geld zurück bezahlen.
- Man kann einen Vorschussanspruch für die Kosten der Mängelbeseitigung auch direkt einklagen, wenn man von Drittunternehmen bereits Angebote für die Mängelbeseitigung vorliegen hat. Dann werden die Angebote im Regelfall von einem gerichtlichen Sachverständigen überprüft, ob diese für die Beseitigung der gerügten Mängel angemessen sind.
Diese Gerichtsverfahren mit Sachverständigen dauern nicht nur sehr lange, sie kosten auch sehr viel Geld, so dass über den Abschluss einer Rechtsschutzversicherung vor der Unterzeichnung eines Werklohnvertrages nachgedacht werden sollte, insbesondere da es nach Kenntnis der Unterzeichnerin aktuell nur 2 Rechtsschutzversicherungen in Deutschland gibt, die das überhaupt versichern (Bauherren-Rechtsschutz)
Claudia Stoldt
Rechtsanwältin und Mitglied der ARGE Baurecht
Zum Profil
Der Beitrag „Umgang mit Mängeln am Bau“ erschien zuerst am 30. Juni 2025 in der Zeitschrift „bauen.“, Ausgabe 5-2025. Sie können den Beitrag hier online betrachten und herunterladen.
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